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 STAAT | ||
|   | Kaiserreich Der Senat hatte die Rolle 
          Oktavians als den ersten Bürger des Römischen Reiches akzeptiert und
          ihm den Titel Augustus verliehen. Das neue Regierungssystem des
          Prinzipats hatte die Entscheidungsgewalt des Gremiums aber deutlich
          beschnitten und auch die Zahl der Senatoren von fast 1000 auf zuerst
          800 und dann endgültig mit 600 auf ein erträgliches
          Mass reduziert. Der Kaiser hatte von nun an das Sagen und es lag in
          seinem Ermessen, den Senat zu berücksichtigen oder auch nicht.
          Wohlweisslich trachteten die meisten Kaiser nach einer
          einvernehmlichen Beziehung mit den Senatoren. Die erste Krise kam, als
          Augustus starb und  Tiberius 14 n.Chr. die Nachfolge antrat. Es gab
          keinen Präzedenzfall und weder der Senat noch  Tiberius wussten im
          Grunde wie man sich zu verhalten hätte. So waren das Gremium ratlos
          und der neue Kaiser ging an die Verhandlungen zögernd und mit Argwohn
          heran. Gleichzeitig bereitete er die Machtübernahme selbst vor und
          verzichtete auf eine huldigende Akzeptanz der Senatoren. In weiterer Folge war die Gewährung
          von Befugnissen und die Verleihung von Titeln zum Amtsantritt eines
          Kaisers Aufgabe des Senats. Trotzdem blieb alles eher ein Formalakt,
          denn eine Machtposition.  Vespasian etwa war bereits am 1. Juli 69
          n.Chr. durch seine Truppen zum Kaiser akklamiert worden. Die
          offiziellen Ämter und Würden samt einiger in einem Senatsbeschluss
          festgelegten Rechte, wie die Einberufung des Senats oder den Entscheid
          über Krieg und Frieden, wurden vom Senat im Herbst erstattet.
          Trotzdem rechnete  Vespasian seinen Regierungsantritt vom 1. Juli weg. Über die Zeitalter hinweg hütete
          der Senat eifersüchtig das Recht zur Verleihung der Kaisertitel. Als 
          Macrinus 217 n.Chr. einen ersten Brief nach Rom sandte, beklagte sich
          der Historiker und damalige Senator Cassius Dio darüber, dass er die
          volle Titulatur verwendet hatte, ohne auf die Verleihung durch den
          Senat zu warten. Nach dem Tod eines Kaisers waren
          ebenfalls Massnahmen zu ergreifen, die den Senat privilegierten. Bei
          einem friedlichen Machtwechsel konnte damit gerechnet werden, dass der
          Senat die Vergöttlichung und die Aufnahme der acta
          (Rechtsetzungen des Kaisers) in den Loyalitätseid des 1. Jänner
          anordnete. In diesem Eid nannte der Senat alle bisherigen „guten“
          Kaiser. Probleme konnten bei einem
          friedlichen Machtwechsel trotzdem entstehen. Nach dem Tod  Hadrians
          weigerten sich die Senatoren, die von  Antoninus Pius verlangte Vergöttlichung
          seines Vorgängers in die Tat umzusetzen. Sein berühmtes Zitat
          „Dann will ich auch nicht euer Kaiser sein, wenn er ein böser
          Mensch und ein Staatsfeind war. Denn damit annulliert ihr seine
          Regierungsmassnahmen, von denen eine meine Adoption darstellt.“ führte
          schliesslich doch zu Hadrians Entrückung in den Götterhimmel. Eine solche Tilgung aus der
          Geschichte bedeutete nicht nur, dass der Name des Kaisers aus Texten
          und seine Bildnisse getilgt wurden. Sie konnten den Nachfolger auch
          belasten.  Claudius durchforstete die Verfügungen seines Vorgängers
          
          Caligula und bestätigte einzelne, die es wert waren,
          weiterzuexistieren.  Nerva ging soweit, dass er sämtliche Erlasse
          
          Domitians wieder in Kraft setzen liess. Während der Kaiserzeit trat der
          Senat unter Leitung der beiden Konsuln gewöhnlich zweimal im Monat
          zusammen. Ausserordentliche Sitzungen konnten weiterhin von den
          Konsuln, den Prätoren, den Volkstribunen und damit auch dem Kaiser
          einberufen werden. Sieht man von den im Dienste der Staatsgeschäfte
          abwesenden oder vom Kaiser beurlaubten Senatoren ab, war die Teilnahme
          an den Sitzungen obligatorisch. Für die Monate September und Oktober
          gab es eine Sonderregelung, nach der eine durch Los ermittelte
          Rumpfsenatorenschaft für Beschlussfassungen genügte. Die Teilnahmepflicht selbst
          wurde nicht rigoros durchgesetzt. Leider sind kaum Zahlen überliefert,
          aber die wenigen Angaben zeigen ein stetiges Absinken der Teilnehmer
          an Senatssitzungen. Unter  Augustus lag die Zahl 23 v.Chr. zwischen 405
          bis 409, im Jahre 45 n.Chr. unter  Claudius 383 und in der zweiten Hälfte
          des 3.Jh.n.Chr. nur mehr 138.  Severus Alexander soll die Untergrenze
          auf 70 gesenkt haben, doch ist diese Zahl äusserst unsicher. Die laufenden Geschäfte wurden
          durch zwei Verfahrensweisen erledigt. Die eine war die relatio
          (Vortrag), bei der der Vorsitzende eine Angelegenheit zur
          Beschlussfassung vorlegte; die andere wurde als interrogatio
          (Frage) bezeichnet und war eine Befragung der Anwesenden um ihre sententia
          (Meinung). Als erstes durften die für das kommende Jahr designierten
          Konsuln ihre Meinung kundtun. Es folgten die Prokonsuln und Proprätoren.
          Inhaber einer laufenden Magistratur wurden bei der Befragung
          ausgelassen, ausser der Kaiser führte selbst den Vorsitz. Sie konnten
          aber auch ohne Aufforderung in die Diskussion eingreifen. Jungen
          Senatoren ohne die notwendige Ämterlaufbahn konnte nur das Wort
          erteilt werden; ansonsten wurden sie nicht gehört. Nach Beendigung
          der Befragung vollführte das Gremium die discessio
          (Abstimmung). Die Anwesenheit des Kaisers
          bedeutete fast immer eine Einschränkung der Meinungsfreiheit sowie
          der üblichen Geschäftsordnungspraxis. Wenn er nicht selbst das
          Konsulat inne hatte, sass er bei den Konsuln und wurde von einer Prätorianereskorte
          begleitet. Durch seine Verwaltungsaufgaben, konnte auch der Prätorianerpräfekt
          Teil dieser Eskorte sein. Die traditionelle Geschäftsordnung
          sah keinerlei Rangfolge für die Meinungsabgabe eines Kaisers vor und
          so wurde etwa  Tiberius durch die Frage eines Senators, wann er seine sententia
          abzugeben beabsichtige aus dem Konzept gebracht. Claudius hingegen
          beschwor die Senatoren in einer ausufernden Rede, sich ihrer
          Verantwortung bewusst zu sein und bei der Abstimmung nicht einfach die
          relatio der Konsuln zu wiederholen, wenn sie zustimmten. Ein
          „Ich bin der gleichen Meinung“ hätte zu genügen, wenn man dem
          Abstimmungsgegenstand zustimmte. Der echten Abstimmung ging ein
          informeller Teil voraus, der in der Kaiserzeit grosse Bedeutung
          erlangte. Dabei erstattete der die Sitzung leitende Magistrat - aber
          auch einzelne Senatoren - Bericht über wichtige Vorkommnisse und
          reichten Gesuche ein. Gleichermassen unterbreitete der Kaiser den
          Senatoren Informationen oder Gesetzesentwürfe, die entweder vom
          Kaiser selbst in einer oratio principis (Rede des Ersten) an
          den Senat vorgetragen oder mittels Briefen durch den kaiserlichen
          Quaestor vorgelesen wurden. Da die Rede quasi gesetzlichen Charakter
          besass, legte sie die Richtschnur für das Abstimmungsverhalten der
          Senatoren fest. Seit  Septimius Severus und
          
          Caracalla ist bekannt, dass führende Juristen massgeblich an den
          kaiserlichen Reden mitwirkten. Irgendwann hat sich eingebürgert, dass
          die Senatoren die Rede eines Kaisers, die relatio oder die Ausführungen
          eines Senators mit acclamationes (Akklamationen) begrüssen
          konnten. In weiterer Folge wurden die Akklamationen geordneter und sie
          wurden bei Anwendung als feierlicher Akt in den Protokollen
          verzeichnet. Die Reden der Kaiser wurden aber nicht nur einfach
          akklamiert, sondern tatsächlich erörtert. Sieht man von der Gesetzgebung
          ab, so konnte der Senat noch über eine Reihe anderer Dinge Beschlüsse
          fassen. Triumphe und Ehrungen von Personen (auch der Kaiser) bedurften
          seiner Zustimmung. Im Jahre 52 verfügte der Senat, dass Pallas, dem
          Freigelassenen des Kaisers Claudius, die insignia
          (Ehrenzeichen) eines Praetors und eine stattliche Geldsumme zuerkannt
          wurden. Der Senat empfing auch die
          Gesandtschaften aus italischen Städten und den Provinzen. Ihm oblag
          auch in der Kaiserzeit das aerarium (Staatskasse) - das
          allerdings in seiner Bedeutung hinter den fiscus (kaiserliche
          Privatkasse) zurücktrat - und damit die Ausgaben für Bauwerke und
          die Abhaltung von Spielen in Rom. Auch beschäftigte er sich mit der
          Genehmigung von Märkten oder Festspielen in den Provinzen. Auch für
          das Vereinswesen gab es Zustimmungen. 138 n.Chr. genehmigte der Senat
          einem seiner Mitglieder auf dessen Landgut in Africa regelmässig Märkte
          abzuhalten. In den Jahren 138 bis 160 liess er die Gründung von
          Vereinigungen der neoi (junge Männer) in Kyzikos (Provinz Asia)
          zu. In Summe hat es keine Geschäftsbereiche
          gegeben zu haben, die ausschliesslich dem Senat vorbehalten waren. Der
          Kaiser fällte die gleichen Entscheidungen und auch in den Provinzen
          machten die Statthalter ähnliche Beschlüsse. An wen man sich wandte,
          hing wohl davon ab, bei wem man sich mehr Unterstützung erwarten
          konnte. Auch kam es vor, dass etwa der Kaiser Entscheidungen an den
          Senat delegierte und umgekehrt. Tiberius verwies im Jahre 26
          n.Chr. mehrere Gesandtschaften griechischer Städte, die Anspruch auf
          Asylrecht erhoben, an den Senat. 59 n.Chr. traf im Senat eine
          Gesandtschaft aus Kyrene ein, die Klagen gegen einen Senator
          vorbrachte, der von Kaiser  Claudius zur Wiedergewinnung von
          Staatsbesitz ausgesandt worden war. Der Senat konnte in seinen Akten
          offenbar nichts finden, erklärte sich unwissend und daher unfähig
          eine schnelle Entscheidung herbeizuführen und verwies die Gesandten
          an Nero. Ob der Senat über bedeutende
          Staatsgeschäfte debattieren durfte, hing vom jeweiligen Kaiser ab.
          Das Recht konnte nicht erzwungen werden.  Tiberius erwies sich hier als
          überzeugter Anhänger der republikanischen Tradition und liess die
          Senatoren über die Staatsfinanzen, die öffentlichen Arbeiten, die
          Rekrutierung und Disziplinierung der Armee, die Kommanden in den
          Provinzen und die Korrespondenz mit den Klientelstaaten völlig frei
          diskutieren.  Vespasian vollzog seine Staatsgeschäfte immer im
          Gleichklang mit dem Senat und  Marcus Aurelius bat sogar um die
          Bewilligung der Gelder für die anstehende Kriegführung. In den Krisen des 3. und
          4.Jh.n.Chr. konnte der Senat seine ursprünglichen Züge erhalten.
          Durch die ständige Abwesenheit mancher Kaiser, war auch ein gewisser
          Spielraum für die eigene Politik gegeben. In der Tetrarchie Diocletian schwand der
          Einfluss drastisch. Da Kaiser Konstantin
          sich kaum in Rom aufhielt und er eine senatfreundliche Politik betrieb,
          konnte etwas von der vergangenen Macht wettgemacht werden. Seit der Reichsteilung wurde das Gremium
          aber quasi zum Stadtrat von Rom degradiert, denn Konstantinopel hatte
          nun auch
          einen Senat erhalten. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger!
          Selbst als mit  Romulus Augustulus der letzte römische Kaiser
          auf italischem Boden entmachtet worden war, existierte der römische Senat als Körperschaft
          weiter. | 
 
        Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. | |
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