Version LX

GEOGRAFIE
Städte


EINLEITUNG
GESCHICHTE I
GESCHICHTE II
GESCHICHTE III
GESCHICHTE IV
VERWALTUNG
RELIGION
WIRTSCHAFT I
WIRTSCHAFT II
KULTUR

GEBÄUDE

ALPHABETISCH
NACH PROVINZEN

zurück zum
Städteindex

zurück zur
geografischen Übersicht

zurück zum Index

Pompeii (Pompeji in Italien)

Kultur & Freizeit

Da Pompeji bei seiner Verschüttung eine gigantische Baustelle war und viele Bewohner vorübergehend die Stadt verlassen hatten, gab es auch in puncto Kultur Einschränkungen. Wie man an den Baumassnahmen sieht, wollte man für das Danach jedoch wieder an die alten Glanzzeiten anschliessen und diese sogar übertreffen.

Die klassischen Grundpfeiler der antiken Freizeitgestaltung waren auch in Pompeji präsent: ein Amphitheater für Gladiatorenkämpfe, ein Theater für Schauspiele und eine grosse Palästra für die körperliche Ertüchtigung. Darüber hinaus gab es noch ein Odeion, in dem Musikdarbietungen veranstaltet werden konnten und Thermen mit entsprechenden Freizeiteinrichtungen.

Blick von der summa cavea (oberste Sitzreihen) auf die Bühne des grossen Theaters von Pompeji.
e ludo computatrali "Pompei"

In allen Bauten versuchte sich die herrschende Oberschicht selbst zu verwirklichen, um ganz in augusteischer Manier als Wohltäter ihres Gemeinwesens in Erinnerung zu bleiben. Aus diesem Grund wurden zumindest wichtige Teile von öffentlichen Kulturbauten aus privater Tasche finanziert. Die Belohnungen hierfür waren nicht nur entsprechendes Stimmverhalten des Wahlvolkes, sondern auch Ehrensitze bei Veranstaltungen, Statuen und Inschriften.

Die Theater

Odeion und grosses Theater wurden in einem thematischen Zusammenhang eng aneinander gebaut und ergaben mit dem Foro Triangolare und dem dorischen Tempel die für die antike Welt typische Einheit von Gesellschaft, Kultur und Religion. Während im Theater unter freiem Himmel Schauspiele geboten wurden, verfügte das Odeion über ein Dach. Immerhin verlangen Musikstücke eine andere Akustik, als gesprochene Komödien oder Tragödien. Die enge Bindung zwischen Spiel und Religion ging im Laufe der Jahrhunderte verloren und im 1.Jh.n.Chr. waren die Theaterstücke vor allem ein kultureller Zeitvertreib.

Die Sportanlagen

Der sportlichen Komponente in der Freizeitgestaltung konnte man in den Palästren nachgehen. Den meisten Platz bot die grosse Palästra gleich neben dem Amphitheater. Sie wurde allerdings erst in augusteischer Zeit erbaut. Zuvor gab es nur zwei sehr kleine Übungsplätze: die samnitische Palästra beim Theater und die Trapezpalästra in den Stabianer Thermen. Beide Anlagen sind sehr klein gehalten und eignen sich höchstens für gymnastische Übungen. Zudem wurde die samnitische Palästra wohl alleine von einem Militärverein genutzt, sodass nur jene in den Thermen wirklich der gesamten Öffentlichkeit zugänglich war.

Wie die zahlreichen Graffitis zeigen, wurde die grosse Palästra vor allem von den jungen Leuten gerne besucht. Immerhin gab es dort nicht nur genügend Platz für allerlei Sportarten und Veranstaltungen, sondern auch ein grosses Schwimmbecken. Die Einrichtung der Anlage erfolgte unter Augustus in betont propagandistischer Weise, da parallel neue Jugendorganisationen geschaffen wurden, welche gewisse Freizeitaktivitäten im Sinne des Kaiserkultes bündelte.

Gladiatorenkämpfe

Die lange Tradition der Gladiatorenkämpfe in Kampanien war sicher mit ein Grund für die relativ frühe Errichtung eines steinernen Amphitheaters in Pompeji. Dass der Bau auch überregionale Bedeutung erlangte, kann an einem schwerwiegenden Vorfall 59 n.Chr. abgelesen werden. Damals kam es im Amphitheater zu einer Massenschlägerei zwischen Pompejianern und Einwohnern von Nuceria. Das Ereignis schlug Wellen bis Rom und schliesslich verbot der Senat der Stadt für zehn Jahre die Spiele, löste illegale Vereinigungen auf und schickte einige Verantwortliche in die Verbannung.

Von den Spiel weiss man, dass sie nicht nur aus den Gefechten bestanden. Es gab feierliche Umzüge vom Forum zum Amphitheater, venationes (Tierhetzen), Boxkämpfe, akrobatische Darbietungen sowie Possenreisser. Die Pompejianer waren glühende Anhänger dieser Spiele.

Über deren Beliebtheit und ihrer Akteure wurden zahlreiche Graffiti in die Wände der Stadt geritzt. Darunter finden sich neben offiziellen Ankündigungen der Veranstaltungen (die übrigens von professionellen Malern gestaltet wurden) auch Liebeschwüre allerlei Mädchen. Einen guten Einblick in die Organisation und Ausgestaltung bietet eine mittlerweile verlorene, aber in Abschrift erhalten gebliebene Inschrift:

A(ulus) Clodius A(uli) f(ilius) Men(enia) Flaccus (duo)vir i(ure) d(icundo) ter(tium) quinq(uennalis), trib(unus) mil(itum) a populo. Primo duomviratu: Apollinarib(us), in foro pompam, tauros, taurocentas, succursores, pontarios paria III, pugiles catervarios et pyctas, lodos omnibus acruamatis pantomimisq(ue) omnibus et Pylade, et (sestertium nummum decem milia) in publicum pro duomviratu. Secundo duomviratu quinq(uennali): Apollinaribus, in foro pompam, tauros, taurarios, succursores, pugiles catervarios. Poster(o) die, solus, in spectaculis athletas par(ia) XXX, glad(iatores) par(ia) V et gladiat(ores) par(ia) XXXV, et venation(em), tauros, taruocentas, apros, ursos, cetera venatione varia cum collega. Tertio duomviratu ludos factione prima, adiectis acruamatis cum collega.

„Aulus Clodius Flaccus, Sohn des Aulus, aus der Tribus Menenia, der drei Mal Duumvir mit Gerichtsbarkeit und quinquennalis war, vom Volk ernannter Militärtribun, organisierte folgende Spiele: In seinem ersten Duumvirat gab es bei den Feiern zu Ehren Apolls eine Parade auf dem Forum, Stiere, Stierkämpfer mit ihren Hilfskräften, drei Fechterpaare, Boxer in Gruppen und als Einzelkämpfer, Darbietungen mit Possenreissern aller Art und mit allen Arten von Pantomimen, darunter auch dem Pylades, und dazu noch die Verteilung von 10.000 Sesterzen an das Publikum, zu Ehren des Duumvirats. Als er zum zweiten Mal Duumvir und quinquennalis war, gab es bei den Apollonischen Feiern wieder die Parade auf dem Forum, Stiere, Stierkämpfer mit Hilfskräften und Boxer in Gruppen. Am Tag darauf veranstaltete er ganz allein in der Arena Kämpfe zwischen 30 Athletenpaaren, zwischen fünf und schliesslich 35 Gladiatorenpaaren, ausserdem Kämpfe mit wilden Tieren, mit Stieren und Stierkämpfern, mit Ebern und Bören und, zusammen mit seinem Kollegen, schliesslich eine Jagd auf verschiedene wilde Tiere. Im dritten Duumvirat gab es die gleichen Veranstaltungen wie beim ersten Mal und dazu noch Possenreisser, die er zusammen mit seinem Kollegen bezahlte.“

Thermen

Nicht nur der Hygiene dienten die Thermen von Pompeji, sondern auch der Freizeitgestaltung. Die älteste Anlage waren die Stabianer Thermen, die seit ihrem Bestehen Ende des 4.Jh.v.Chr. mehrfach renoviert und ausgebaut. Es scheint, dass es sich ursprünglich um eine Palästra mit - erhalten gebliebenem - Schwimmbecken gehandelt hatte und damit die älteste Sportstätte von Pompeji gewesen ist. Die Thermen besassen alle bekannten Elemente vom Kaltbad bis hin zum Schwitzbad. Gleiches galt für die Zentralthermen. Die Badekultur wurde derart wichtig genommen, dass man eigens alle Häuser einer insula (Häuserblock) einriss um extra eine neue Thermenanlage in zentraler Lage zu errichten. Ihr Baustil entsprach der letzten Mode. Etwas urtümlicher waren dagegen die Forumsthermen, die allerdings ebenfalls mehrfach umgebaut wurden - zuletzt 3/4 n.Chr.

Alle drei Anlagen waren sowohl Männern, als auch Frauen zugänglich - man trennte die Geschlechter jedoch baulich, sodass es im Prinzip jeweils zwei Thermen in einer Therme gab. Zur Zeit der Verschüttung waren die Anlagen nicht (wie die Stabianer Thermen - hier wurde generalsaniert) oder nur eingeschränkt (wie die Forumsthermen - hier wurden auch Lampen zwischengelagert) in Betrieb. Nicht aufgefunden wurden Bibliotheksbereiche, ebenso wenig wie überhaupt eine öffentliche Bibliothek. Vielleicht stand das aber auch nur mit dem Minderbetrieb sowie dem allgemeinen Charakter von Pompeji als Grossbaustelle in Verbindung.

Gastwirtschaften

In Pompeji gab es einige cauponae (Schänken) und thermopolia (Garküchen), in denen man essen, trinken, spielen und tratschen konnte. Einigen Betrieben waren auch Bordelle angeschlossen, was vor allem mit den zahlreichen Wanderarbeitern in Pompeji 79 n.Chr. zusammenhing. Bislang wurde erst ein lupanar (Bordell) ergraben, das tatsächlich als solches geplant und errichtet worden war. Alle anderen Lokale befanden sich entweder im ersten Stock von Gastwirtschaften (sieben) oder waren überhaupt völlig zweckentfremdet in anderen Gebäuden (acht) untergebracht. Neun bestanden überhaupt nur aus einem kleinen Raum an der Strasse und diese scheinen an einzelne in diesem Gewerbe selbständige Mädchen für ihre Tätigkeit vermietet worden zu sein.

Bereits damals versuchten die Wirte sich von den anderen Gaststätten abzuheben und so Kundschaft anzulocken. Beispiel hierfür ist die caupona mit dem Wahrzeichen von Afrika/Alexandria, die einen orientalischen Touch versprühte. Dass sich das Würfelspiel über eine grosse Beliebtheit erfreute, ist u.a. durch Graffitis belegt. Möglicherweise - der archäologische Befund ist leider dürftig & die Beschädigung durch Bombardierung 1943 tat ihr übriges - gab es in Pompeji sogar eine eigene tabena lusoria (Spielhalle).

Im Gegensatz zu heute gab es in der Antike weitaus weniger Möglichkeiten seine Freizeit zu gestalten. Dies ist jedoch nicht alleine aus dem Angebot heraus zu sehen, sondern auch dadurch zu begründen, dass man sich mehr in den eigenen vier Wänden versammelte. Die privaten Feste wurden hauptsächlich zuhause gefeiert. Umso mehr waren öffentliche Veranstaltungen willkommen, wie sie an den zahlreichen Feiertagen für die verschiedensten Bevölkerungsgruppen vorkamen.

Das durchschnittliche Barvermögen eines Mittelständlers in Pompeji betrug ca. 200 Sesterzen. Da war es von grossen Vorteil, dass die Honoratioren der Stadt die Spiele im Amphitheater bei Festen sponserten.


Quellen: Coarelli, La Roca, De Vos "Pompeji", J.-A.Dickmann "Pompeji", H.Pleticha & O.Schönberger "Die Römer", N.Harris & P.Dennis "Feuerregen auf Pompeji", "Der kleine Pauly" sowie das Computerspiel "Pompei - The Legend of Vesuvius"

 

Sie wollen Fragen stellen, Anregungen liefern oder sich beschweren?
Dann klicken Sie auf meine Kontaktseite!

(PL)