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Annäherungsdeckungen

Pluteus (grch. laisa)

Allgemein bezeichnet pluteus bzw. pluteum ein Schutzdach oder schlichtweg eine Umzäunung aus Brettern oder Weidengeflecht. Im militärischen Sinn versteht man darunter eine spezielle Brustwehr, die auch bei einigen anderen Annährungsdeckungen zum Einsatz kam (z.B. testudo). Der testudo des Hegetor von Byzanz hatte ein turmförmiges pluteus für zwei Beobachter.

In der römischen Armee kam der - meist auf Rollen montierte - pluteus militaris zum Einsatz. Dabei handelte es sich um zwei aus Häuten oder Leder überzogene Weidengeflechte, die in einem Winkel angeordnet waren. Die Spitze zeigte dabei in Richtung Feind. Material, das von den Mauern geworfen wurde, um die Bauarbeiten zu stören, konnte so abgebremst bzw. abgeleitet werden. Der pluteus militaris gehörte zu Standardausrüstung der römischen Armee. Besonders während der Dakerkriege des Kaisers Trajan bewährten sich die vom Baumeister Apollodorus entworfenen Schutzbauten. Da die Daker ihre Festungen auf Anhöhen errichtet hatten, liessen sie allerhand Material die Hänge hinabrollen um die Angriffsvorbereitungen der Römer zu stören.

Vinea (spätantik causia; grch. ampelos bzw. ampelochelone)

Die vinea bezeichnet eine bewegliche Laufhalle als Schutz vor feindlichen Geschossen. Sie bestand aus einem Holzgerüst, das seitlich mit Häuten verkleidet war. Das Gerüst selbst setzte sich aus geraden, vertikalen Stangen zusammen, die mit querliegenden Hölzern verbunden waren. Das Dach war doppelt ausgeführt. Entweder man benutzte eine doppelte Lage von Häuten mit Zwischenraum oder Bretter und Flechtwerk.

Die vertikalen Stangen hatten an ihrem unteren Ende Eisenspitzen, damit man die Konstruktion im Boden verankern konnte. Eine andere Version besass Räder und war damit mobil. Der Schriftsteller Vegetius überlieferte im 4.Jh.n.Chr. einige Masse: Länge 4,74  m, Breite 2,37 m, Höhe 2,07 m. Zum Einsatz kam die vinea in römischer Zeit nicht nur einzeln. Mehrere vineae konnten zu einem Laufgang zusammengestellt werden. Auch Caesar nutzte lange Laufgänge, die er jedoch cuniculi aperti (offene Tunnels) nannte. Die vinea gehörte zur Standardausrüstung der römischen Armee.

Da es sich um eine sehr einfache Konstruktion handelte, ist ihre Entstehungszeit sicher sehr früh anzusetzen; noch vor dem Einsatz echter Geschütze. Selbst im Mittelalter fand sie bei Belagerungen noch Verwendung.

Testudo (grch. Chelone chostris)

Der Begriff testudo bezeichnete im römischen Heer zwei Arten von Schutzvorrichtungen. Die bekanntere von ihnen ist die „Schildkröte“ der Legionäre, bei der sich eine Einheit hinter ihren Schilden verbarrikadiert. Dabei ist zu bemerken, dass diese Formation bereits den Griechen unter der Bezeichnung synaspismos bekannt war. Die Soldaten reihten sich eng aneinander und bildeten mit ihren Schilden vorne und an den Flanken eine Wand. Die dem eigenen Heer zugewandte Seite blieb oftmals frei, währenddessen die in der Mitte stehenden Soldaten die Schilde über ihre Köpfe stemmten.

Diese Formation kam besonders beim Belagerungskrieg zum Einsatz und wurde nicht nur von der Infanterie praktiziert. Bei der Kavallerie kamen die Pferde als erschwerender Faktor hinzu. Dennoch gelang es einer disziplinierten Truppe die testudo durch ein gleichzeitiges Niedergehen der Pferde zu bilden.

Als andere Form der Schutzvorrichtung bezeichnete testudo eine mobile Grabschildkröte. Dabei handelte es sich um ein fahrbares, gedecktes Stangengestell, das in zwei Versionen zum Einsatz kam. Erstens die an Vorderseite und Flanken geschlossene chelone chostris und die vorne und hinten offene chelone oryktris, die lateinisch musculus hiess. Grabschildkröten tauchten literarisch zum ersten Mal 334 v.Chr. bei der Belagerung von Halicarnassus durch Alexander den Grossen auf. 30 Jahre später setzte Demetrios Poliorketes vor Rhodos bereits 8 Stück davon ein um der Helepolis den Weg zu bahnen. Auch Makedonen und Seleukiden vertrauten auf dieses Werkzeug.

Die Grabschildkröte diente als Schutzvorrichtung während Schanzarbeiten in unmittelbarer Umgebung von Festungsmauern und feindlichen Bogenschützen bzw. Artillerie. Im allgemeinen arbeiteten die Legionäre an der Planierung von Bodenunebenheiten, dem Aushub von Gräben und der Zuschüttung solcher.

Caesar nutzte musculi u.a. bei der Belagerung von Massilia (Marseille) 49 v.Chr., als sich pluteus und vinea der gegnerischen Artillerie nicht gewachsen erwiesen. Die überlieferten Masse lagen bei 18 m Länge, 1,2 m Breite und 1,5 m Höhe. Damit gab es ausreichend Schutz, um die gegnerischen Mauern in aller Ruhe zu unterminieren oder mittels Rammbock zu demolieren.

Da der musculus auch vorne offen war, konnte er für Angriffe benutzt werden. Am besten trifft deshalb die Bezeichnung Breschhütte zu, da die Soldaten unter ihrem Schutz Breschen in die Festungsmauern schlagen konnten. Vornehmlich diente die Vorrichtung allerdings beim Auffüllen von Gräben. In späterer Zeit vermischen sich die beiden Versionen bei der Begriffsbildung, sodass Vergetius im 4.Jh.n.Chr. auch unter musculus eine Grabschildkröte versteht.

Grössenangaben von griechischen Versionen wurden überliefert. Das escharion (Unterbau) mass 6,21 m im Quadrat und hatte eine Höhe von 3,1 m. Vom Unterbau standen auf jeder Seite nochmals 1,77 m weg um den Männern ein bequemes Arbeiten zu ermöglichen. Alles in allem konnten bis zu 120 m² an Fläche geschützt werden. Die vier im Inneren angebrachten Räder sollen 1,33 m Durchmesser und 29,5 cm Stärke aufgewiesen haben.

Der römische Baumeister Vitruv überlieferte noch eine Version, die sich auch seitwärts bewegen konnte. Vermutlich wurden hierbei Räder mit kleinerem Umfang verwendet, die aus ihren Verankerungen herausgenommen und in danebenliegende eingehängt werden konnten. So wäre es auch möglich die Räderachsen (pro Rad eine Achse; keine Verbindung zwischen den Rädern!) in 45°-Schritten einzuhängen.

Als Schutz vor feindlichen Geschossen und Feuer wurde Palmenholz empfohlen, das mit Flechtwerk aus frischen Ästen überzogen werden sollte. Eine Polsterung mit Wolle, essiggetränkten Hackschnitzel oder Seetang machte ebenfalls Sinn. Zum Einsatz dürften neben Rohleder auch Eisenplatten gekommen sein, denn es handelte sich um keine Riesenkonstruktion, deren Gewicht ein Problem darstellen konnte.

Von der Grabschildkröte gab es noch eine Sonderausführung mit einer Brustwehr auf dem Dach. Diese diente zur Beobachtung des Feindes. Da auch die Beobachtungsmannschaften ein Gewicht darstellten, empfahl man hierfür acht Räder.

Bronzekopf eines in Olympia gefundenen Rammbockes
(ca. 5.Jh.v.Chr.)
Der Balken dazu
war 22 cm hoch
und 8 cm breit.

(c) Deutsches Archäologisches
 Institut, Athen


 

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(PL)