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SPRACHE
Kurzschrift in der Antike


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Weiterentwicklung der Tironischen Noten

Die Optimierung der Tironischen Noten in der Kaiserzeit

Da das Latein bekanntlich von Deklination und Konjugation „lebt“ blieb es nicht aus, dass gewisse und oft wichtige semantische Aspekte in den Tironischen Noten nicht wiedergegeben werden konnten. So wurden sie später um die declinationes (auch auxiliares oder tituli; Endungszeichen) ergänzt. Mit etwa 400 solchen Zeichen war es nun möglich sämtliche grammatikalischen Aspekte der lateinischen Sprache abzubilden von der einfachsten Deklination bis hin zu komplexen Konjugation. Die Erfinder dieses Systems blieben dem Tironischen Regelwerk treu, reduzierten aber die Endungszeichen auf ein Minimum.

Standen die Tironischen Noten in den Ausläufern der römischen Republik hauptsächlich im Senat zur Aufzeichnung von Reden in Verwendung, so änderte sich dies im Kaiserreich völlig. Durch das nun vervollständigte System nahmen auch Verwaltung und Rechtsprechung davon im wahrsten Sinne des Wortes Notiz. Nun war Kurzschrift nicht mehr auf den Patrizierstand beschränkt, sondern auch in eigenen Schulen für jedermann erlernbar. Die intensive Verwendung führte jedoch dazu, dass viele einfache Menschen mit der nun wie eine Geheimkorrespondenz wirkenden Schriftform nichts anfangen konnten. So sah man sich von staatlicher Seite genötigt Beschränkungen für ihren Gebrauch einzuführen, damit auch der des gewöhnlichen Lesens und Schreibens Kundige wieder zu seinem Recht kam. Unabhängig davon blieb die grosse Domäne der Kurzschrift das Protokollieren von Reden, Aussagen vor Gericht oder Diskussionen. Bekannte Persönlichkeiten mit Stenografiekenntnissen waren Caesar und besonders Kaiser Titus.

In der späteren Kaiserzeit entdeckten auch die Kopisten die Stenografie für sich und sie verbreitete sich erneut. Um Zeit bei der Originalkopie von Schriftrollen zu sparen, diktierten sie einem Schreiber den Inhalt, den dieser in Tironischen Noten zu Wachs oder Papier brachte um sie später wieder den Lohnschreibern in vollem Wort zu diktieren. Eine weitere Verwendung fand in der erstarkten christlichen Kirche statt, wo eigene notarii (Notare; im antiken Sinn als „Notenschreiber“) nicht nur die Konzilien, sondern auch die Reden bedeutender Kirchenmänner - wie etwa des Augustinus - mitprotokollierten. Diese Notenschreiben besassen mit Cassianus von Imola übrigens einen eigenen Heiligen, der in Diocletianischer Zeit als Schreiber und Lehrer von seinen Schülern mit Schreibgriffeln erstochen worden sein soll. Alles in allem waren die Notare zu unverzichtbaren Elementen der Verwaltung geworden.

Die Rolle der Kurzschrift nach dem Ende des Weströmischen Reiches

Mit dem Untergang Westroms blieben die meisten Verwaltungseinheiten erhalten - bekanntlich reichen sich die Beamten über alle Revolutionen hinweg die Hände ;-) - und so auch die nun hauptsächlich in den Kanzleien der Germanenfürsten verwendeten Tironischen Noten. In das 5.Jh.n.Chr. fällt auch die erste überlieferte Zeichensammlung mit dem Werktitel Commentarii Notarum Tironianarum (Register der Tironischen Noten).

Besondere Bedeutung erlangte die Kanzleikurzschrift mit dem aufkommenden Urkundenwesen im Frankenreich unter den Merowingern und Karolingern. Diese dritte Renaissance vermehrte den Kürzelvorrat im 8. und 9.Jh.n.Chr. auf kaum mehr erlernbare 13.000 Zeichen. Durch die stets enge Verbindung der Geistlichkeit mit der Verwaltung mutierten die Noten zu einer Art klerikalen Parallelschrift für Kommentare und Exzerpte. Der Sinn lag nun nicht mehr in der gewandten Verfolgung von Reden, sondern schlichtweg in der platzsparenden Schreibweise, denn Papier war im frühen Mittelalter äussert knapp wie teuer und die Wachstafeln schon ausser Mode.

Das Ende der Tironischen Noten begann mit der Teilung des Frankenreiches und der Bevorzugung der Minuskel als Schreibschrift. Während sie sich in den romanisierten Teilen noch bis um 1100 hielt, endet ihre offizielle, urkundlich belegte Verwendung im deutschen Reichsteil mit dem Jahr 941. Vereinzelte Verwendungen bis in das Hochmittealter belegen jedoch, dass das Wissen darum nicht völlig ausstarb.

Dieser Ausschnitt aus einem italienischen Geheimschriftalphabet von 1475 zeigt anschaulich die von Tiro
entwickelten Grundsätze zur Vermehrung eines Zeichenvorrats mittels Durchstreichung, Positionierung, etc.
sowie die Verwendung von bekannten Kurzschriftzeichen.
(e pagina interretiali www.phil.uni-passau.de)

Wiederentdeckt und gewürdigt wurde Tiros Erfindung erst wieder mit Beginn der Renaissance im 14.Jh. unter Führung des Humanisten Johannes Trithemius, doch kam es zu keiner Wiedereinführung, was wohl am mangelnden Bedarf eine Schnellschrift lag. Dennoch bahnten sich einzelne Zeichen weiter ihren Weg durch die Geschichte. Die intensive Verwendung von Geheimalphabeten in der Korrespondenz wurde durch die antiken Noten signifikant befruchtet. Schlussendlich hat sich ein Zeichen in Irland bis heute gehalten: ┐ steht dort häufig für unser &.

amo = ich liebe

amabo = ich werde lieben

amabam = ich liebte

amabat = er liebte

amabant = sie liebten

amabar = ich wurde geliebt

Tironische Noten aus dem Spätmittelalter


Quellen (Bücher): J.-C.Fredouille "Lexikon der römischen Welt"; Bertelsmann "Modernes Lexikon" (aus den 70ern); "Der kleine Pauly"
Quellen (Internet): www.phil.uni-passau.de; www.steno.ch; www.typolexikon.de 

 

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(PL)