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Mater Matuta

Mater Matuta. Die Bezeichnung mater (Mutter) ist keine ehrenvolle Anrede, sondern ihr Hauptname. Deshalb stellt Matuta die Ergänzung dar, was dadurch untermauert wird, dass auch Iuno und Pales diesen Beinamen tragen können. Der Sinn des Wortes hat sich bislang einer genauen Erklärung entzogen. Die bislang beste Hypothese geht von "der ersten Mutter" aus und verweist die Namensgebung in die Zeit des altitalischen Matriarchats. Die beste deutsche Übersetzung wäre hernach "Urmutter". Andere Erklärungsversuche bringen den Namen mit "gute Zeit" und "Morgenhelle" in Verbindung. Das lateinische Adjektiv matutinus (frühmorgens) wird jedoch von Matuta hergeleitet und nicht umgekehrt.

Ähnlich den beiden erwähnten Gottheiten mit dem gleichen Beinamen liegt ihr Ursprung in der Bronzezeit. Die einwandernden Italiker übernahmen den Kult dieser Muttergottheit von der einheimischen Urbevölkerung. Als die Phönizier auf ihren Handelszügen mit ihr in Kontakt kamen, setzten sie die Göttin ihrer Astarte gleich. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Statuetten.

Das älteste bekannte Heiligtum stand im frühen 7.Jh.v.Chr. in Satricum (13 km nordöstlich von Anzio in Italien) in der Nähe zahlreicher Quellen. Der erste Bau war eine schlichte, für diese Zeit klassische ovale Holzhütte. Alleine ihre besondere Lage sticht heraus. Um 650 v.Chr. ersetzte man den Holzbau durch ein sacellum (Schrein), der von der Grösse her etwa die doppelte Fläche einnahm. Der erste wirkliche Tempelanlage wurde dann sicher noch vor 500 v.Chr. errichtet. Von beiden Gebäuden sind Reste von Ziegeln und Dachterrakotten erhalten geblieben. Die letzte Bauphase aus dem ersten Viertel des 5.Jh.v.Chr. weicht von der bisherigen Konzeption ab und ändert die Ausrichtung des Tempels um 45°. Als Satricum 346 v.Chr. von den Römern zerstört wurde, liessen sie lediglich den Tempel unversehrt stehen. Mater Matuta wurde nun nicht mehr als Stadtgöttin, sondern infolge der nahen Quellen als Heilgottheit verehrt; der Tempel damit zum Wallfahrtsort. 206 v.Chr. schlug der Blitz in das frei stehende Gebäude ein und es begann langsam zu verfallen. Auch andere altehrwürdige Heiligtümer der Latiner verfielen damals mangels Interesse der Bevölkerung. Es scheint, als dass die Kulte im Fortunaheiligtum in Praeneste quasi "zusammenfusioniert" wurden.

Die in Satricum in einem Votivdepot gefundenen Bronzestatuetten zeigen eine nackte Frauengestalt, die in manchen Fällen Ähnlichkeit mit Venus aufzeigt. In der Tat war dies eine Parallelentwicklung, da die Phönizier Astarte auch mit Venus gleichgesetzt hatten. Andere Statuetten haben mehr den Charakter einer dea nutrix (nährenden Göttin) mit Brustverdoppelung. Ein Gürtel stellte wohl die Reinheit der Natur als Vorbedingung für ihre spätere Fülle dar. Besonders auffällig ist der Kopfschmuck: ein überdimensionaler Fächer, der wahrscheinlich einen engen Strahlenkranz darstellt. Dies könnte ebenfalls mit phönizischen Vorstellungen der Astarte in Verbindung stehen.

Der Hafenort Pyrgi besass ein Heiligtum, das der grch. Meeresgöttin Leukothea - der mythologischen Amme des Dionysos - geweiht war. Die Gleichsetzung mit einer Meeresgottheit erscheint aufs erste hin unbegründet, doch stand Mater Matuta stets in enger Beziehung mit Wasser; an der Küste eben mit Salzwasser, bei im Landesinneren gelegenen Tempeln mit Quellen oder Zisternen. Ein Teil ihres Numens wurde deshalb auch mit jenem der altitalischen Quellnymphe Albunae vermengt.

Die Etrusker nannten sie interessanterweise Uni, die Phönizier Astarte und die lateinisch sprechenden Menschen Mater Matuta. Manche Griechen bezeichneten sie auch als Eileithyia (eine kretisch-minoische Geburtsgöttin). Uni wird im allgemeinen mit der römischen Juno gleichgesetzt, doch ist zu berücksichtigen, dass bei diesem Alter der Kulte noch keine vollständige Übernahme erfolgt worden war. Juno Lucina war auch Geburtsgöttin und damit eine dea nutrix. In Anlehnung an Astarte könnte es am Tempel von Pyrgi auch Liebesdienerinnen gegeben haben, denn bei den ältesten Göttinnen der Vorzeit ist eine Trennung zwischen Mutterschaft, schöpferischer Urkraft des Wassers und des Bodens sowie Erotik nicht möglich (vgl. dazu auch die Venusstatuetten aus der Steinzeit).

In Rom stand Mater Matuta mit Fortuna in einer engen Kultbeziehung (vgl. Praeneste). Die den Göttinnen am Forum Boarium (Platz mit Viehmarkt in Rom) geweihten Tempel (es war Doppelheiligtum) hatten das gleiche Weihedatum. Das Fest Matralia, welches von den Patrizierinnen gefeiert wurde, galt sowohl Mater Matura als auch Fortuna. Einen Neubau des unter König Servius Tullius errichteten Tempels, liess 396 v.Chr. Marcus Furius Camillus einweihen, nachdem er vor seinem Sieg über Veji ihr einen Tempel gelobt hatte. An der Längsseite des Doppelheiligtums ergrub man eine Zisterne (mit immerhin 80 m³ Fassungsvermögen), die vom 4.Jh.v.Chr. bis in hadrianische Zeit in Betrieb war. Wohl wurde ein Teil des Wassers auch für rituelle Zwecke verwendet. Immerhin wurde die Matralia am 11.Juni gefeiert (In Süditalien ist der Juni ein regenloser Monat). Die meisten Informationen zu Tempel, Kult und Fest überlieferte übrigens Ovid, der Mater Matuta mit der grch. Leukothea gleichsetzte (vgl. die Göttin von Pyrgi) und ihr im selben Atemzug noch Portunus, den Gott der Häfen, zum Sohn gab.

Zum Tempel hatten nur römische Matronen Zugang. Beim Fest wurde eine eigens hierfür ausgewählte Sklavin mitgeführt, geschlagen und dann aus der Kultstätte gejagt. Anschliessend beteten die Frauen für das Wohlergehen der Kinder ihrer Schwestern - sicherlich ein uraltes matriachalisches Relikt. Abschliessend vollzogen sie das Opfer durch dei Darbringung eines testuacium (in Tonform gebackener Topfkuchen).

Bronzestatuette der Mater Matuta aus Satricum,
Anfang 7.Jh.v.Chr.
Die Figur ist 6,5 cm gross

ex libro E.Simon "Die Götter der Römer" (c) incognitus

Rekonstruktion der Mater Matuta auf einem Antefix des Tempels in Pyrgi. Die beiden Strahlenscheiben stellen in orientalischer Anlehnung Morgen-
und Abendstern dar.

ex libro E.Simon "Die Götter der Römer" (c) incognitus


Quellen: E.Simon "Die Götter der Römer", W.Vollmer "Wörterbuch der Mythologie", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)