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Flavius Petrus Sabbatius
Iustinianus (I.)

Herrschaft III (Religion & Recht)

Religionspolitisch setzte Iustinianus den Kurs seiner Vorgänger im Kampf gegen Abweichler vom rechten Glauben fort. Zahllose Erlasse und auch das neue, von ihm in mehreren Codices verfasste, Römische Recht legen Zeugnis darüber ab, wie ernst es der Kaiser dabei meinte. Ein Grundproblem blieb das Nebeneinander von Kirche und Staat; ein Gedanke, der im alten Römischen Recht undenkbar gewesen wäre. Somit blieb die religiöse Sphäre stets ein Politikum und Iustinianus mischte sich kraft seiner "von Gott" abgeleiteten Stellung vermittels zahlreicher Erlasse regelmässig ein.

Seit Kaiser Konstantin waren mehr als zwei Jahrhunderte ins Land gezogen und dennoch hielten sich hartnäckig Reste der alten heidnischen Kulte. 529 wurde die Zwangsbekehrung aller Heiden bei Verlust des Vermögens und Exilierung verordnet und im gleichen Jahr die immer noch existierende Akademie zu Athen geschlossen. Schon 520 verwüsteten christliche Fanatiker das Gelände der Bibliothek von Alexandria und neun Jahre später wurde das Museion endgültig geschlossen.

Hochgestellte Persönlichkeiten, denen heidnische Handlungen nachgewiesen werden konnten wurden sogar hingerichtet. 542 konnte Johannes von Ephesos in Westkleinasien gut 70.000 Taufen vornehmen. Auch Abweichler vom rechten christlichen Glauben wurden verfolgt und mit Heiden und Juden in einen Topf geworfen. Für diese Menschen galten Sondergesetze, die sie von öffentlichen Ämtern und einigen Berufen ausschlossen. Ausserdem wurden sie in Abstufungen einiger Bürgerrechte verlustig, wie etwa im Erbrecht oder als Zeuge auszusagen. Zahlreiche Hinrichtungen waren auch hier die Folge.

Die Erfolge im Westen bedeuteten für spezielle christliche Glaubensrichtungen, wie etwa den Arianismus, das Aus. Das Hauptproblem der Kirchen blieb jedoch die Natur Jesu. Die Lehren von der einen oder der doppelten Natur Christi blieben einander feindlich gesinnt. Die damaligen Menschen hatten ein hohes Bedürfnis nach Erlösung nach dem Tode, sodass die Konflikte bis in die kleinste Gemeinde getragen wurden. Die Glaubensfrage spaltete nicht nur die Provinzen, sondern auch Familien. Bestes Beispiel ist Iustinianus selbst, der der Zwei-Naturenlehre anhing; seine Frau Theodora präferierte den Monophysitismus.

Um die Streitigkeiten wieder einmal zu beenden, berief der Kaiser Vertreter beider Richtungen und liess sie eine gemeinsame Glaubensformel erarbeiten, die jedoch nur oberflächlichen Konsens erzeugte und die ausgleichende Politik scheitern liess. Weder das monophysitische Alexandria noch Papst Agapetus liessen sich in ihrem Kurs beirren. Unruhen mit zahlreichen Toten waren die Folge. Doch Iustinianus liess sich dadurch nicht beeinflussen. 543 folgte der nächste Schlichtungsversuch über die Hintertür einiger auf dem Konzil von Chalkedon rehabilitierter Kleriker. Der Kaiser näherte sich dabei dem monophysitischen Standpunkt etwas an, erntete jedoch wieder Widerstand im Westen. 547 zitierte Iustinianus sogar Papst Vigilius zu sich. Erneut gab es ein Konzil mit Beschlüssen, die einen Proteststurm auslösten. Der Papst sass in der Zwickmühle von Kaiser im Osten und den Bischöfen im Westen. Nach Vigilius' Tod bot der Kaiser dem Wortführer Pelagius das Papsttum an, wenn er sich für eine Verurteilung besagter Kleriker einverstanden erklärte. Mit diesem Kniff wurden die Beschlüsse des Konzils nun doch auch im Westen einigermassen angenommen. Afrika, Spanien und Gallien scherten nämlich aus und verweigerten ihren Kirchenoberen den Gehorsam.

Die bedeutendste innenpolitische Aufgabe war die Neukodifizierung des Römischen Rechts im Corpus Iuris Civilis (Zivilrechtssammlung). Obwohl in vergangenen Zeiten Gesetze meist Wirkungskraft in beiden Reichsteilen hatten, war doch durch die zahlreichen Kaiser ein Gesetzesdschungel entstanden, in dem sich nur mehr Spezialisten auskannten. Somit war es an der Zeit die Texte in Einklang zu bringen. Private Sammlungen von Erlassen hatte es zuletzt um das Jahr 300 gegeben. Der Codex Gregorianus sowie der Codex Hermogenianus beinhalteten die Erlasse von Hadrianus bis Diocletianus. Erst im 5.Jh.n.Chr. wurde eine offizielle Ediktsammlung, der Codex Theodosianus, herausgegeben. Einige kleinere Zusammenfassungen konzentrierten sich eher auf spezielle Rechtsgebiete. Der Wirrwarr an Gesetzen wurde schon im 4.Jh.n.Chr. erkannt, doch nur wenig dagegen unternommen. Mehrfach wurden Zitiererlasse begeben, um konkret festzulegen, welche Gesetze vor Gericht überhaupt noch angewendet werden konnten.

Das Recht der hohen Kaiserzeit wurde vor allem durch hervorragende Juristen aus praktischen Erwägungen heraus vorbereitet. Die Spätantike liess indes kein derart freies Spiel der Kräfte mehr zu und stützte sich alleine auf die kaiserliche Macht. Damit das Recht nicht zur Willkür eines einzelnen verkam, bestand Bedarf an entsprechenden Bildungseinrichtungen. So liess Iustinianus die Rechtsschulen der hohen Kaiserzeit neu ins Leben gerufen. Konstantinopel und Beirut besassen fortan derartige Institute und schulten den Nachwuchs, der aus dem reichen Schrifttum der vergangenen Jahrhunderte bis zu Zeiten der Republik schöpfen konnte. Noch bevor die grossen neuen Gesetzeswerke erarbeitet waren, wurde den Lehrbüchern am 21. November 533 die Gesetzeskraft zuteil.

Die Rechtsunsicherheit muss damals sehr gross gewesen sein, da Iustinianus dieser Neukodifizierung hohe Priorität eingeräumt hatte. Leiter dieses Unterfangens war mit Tribonianus ein Mann von grossem Wissen, ausgezeichneter Organisationsgabe und breitem Arbeitseifer. Zudem besass er mit dem zentralen Gerichtshof in Konstantinopel eine Quelle bestens geschulter Juristen. Meist in der Position des quaestor sacri palatii (in etwa ein Justizminister) sorgte er für den raschen Fortschritt der Arbeiten. Mit Hilfe von zwei Spitzenjuristen schaffte er es sogar die Lehrbücher vor den echten Gesetzen fertig stellen zu lassen, sodass die Studenten sich schon vorab mit den neuen, bereinigten Verhältnissen befassen konnten.

528 wurde eine Kommission ins Leben gerufen und bereits am 7. April 529 kamen die ersten Erlasssammlungen in Umlauf. Schrittweise verloren die alten Sammlungen an Gültigkeit. 532 erschien mit den Digesten eine Neukodifizierung des praktischen Juristenrechts. Bei letzterem handelte es sich um eine Gewaltanstrengung sondergleichen. 2000 Werke mit mehr als 3 Millionen Zeilen wurden bis auf ein Zwanzigstel des Inhalts zusammengestrichen. Parallel korrigierte Iustinianus fehlerhafte alte Gesetze durch Neuerlasse. Das Endprodukt bildete schliesslich am 16. November 534 der Codex Iustinianus. Trotz dieser gewaltigen Anstrengungen blieben Unklarheiten und das wahrscheinlich grosse Ziel Iustinianus', Kaiserrecht und praktisches Juristenrecht in ein System zusammenzubringen konnte nicht mehr angegangen werden. So begannen schon bald wieder Novellen die Gesetzesmaterie zu verkomplizieren.

Kaiser Iustinianus auf einem Kirchenmosaik aus Ravenna


Quellen: M.Clauss, "Die Römischen Kaiser", O.Veh, "Lexikon der römischen Kaiser", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)