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Die Justinianische Pest 541/542

Die Mittelmeerwelt am Vorabend der Pest

Während der langen Regierung des oströmischen Kaisers Justinian ereignete sich 541/542 mit der erstmalig im Mittelmeerraum auftretenden "echten" Pest die wohl grösste Katastrophe des Altertums, die schlussendlich das Ende der Antike brachte. Dementsprechend kann seine Herrschaft in zwei deutlich getrennte Abschnitte vor 541 und nach 542 geteilt werden.

Nach aussen hin zeigte sich das oströmische Reich unter Justinian als gefestigtes Staatswesen. Die Vandalen waren vernichtet, die Perser hintangehalten und Italien weitgehend zurückerobert worden. Auch die inneren Reformen hatten gegriffen und die Verwaltung auf die Erfordernisse der Zeit angepasst.

Was der Kaiser an Selbstvertrauen und Durchsetzungsstärke besass, fehlte in weiten Kreisen der Bevölkerung. Schuld daran war eine in der Antike nie dagewesene Serie von Naturkatastrophen, die seit ca. 500 n.Chr. den östlichen Mittelmeerraum erschütterten. Heuschreckenplagen, zahllose Erdbeben, Tsunamis, Brandkatastrophen und fremde marodierende Heerscharen wechselten in rascher Folge ab. Alleine Antiochia bekam zwischen 525 und 528 drei Erdbeben und Grossbrände ab. Ab Mitte der 530er Jahre folgten die Ereignisse mit einer derartig hohen Geschwindigkeit aufeinander, dass an Hilfe oft nicht mehr zu denken war.

Zudem ereignete sich 536/537 ein Klimaschock, der von Skandinavien über Persien bis China hinein nachzuweisen ist. Entweder durch einen Vulkanausbruch oder einen Meteoriteneinschlag verfinsterte sich durch Staub in der Atmosphäre die Sonne auf Monate hinaus. Extrem kalte Winter und kühle Sommer mit gigantischen Ernteausfällen waren die Folge. Die Wasserführungen grosser Flüsse (u.a. Nil, Po) gerieten völlig aus den Fugen und führten zu Jahrtausendhochwässern.

Die ersten Ereignisse fielen just mit jenen Daten zusammen, die viele für den Beginn der Endzeit und der kommenden Wiederkehr Christi hielten. Die daraus resultierende Hinwendung zum Diesseits sollte die Hilfsmassnahmen zusätzlich behindern.

Nun sahen manche in Justinian jenen Antichristen, der gemäss der Prophezeiungen vor dem Reich Gottes herrschen würde. Bestärkt wurden sie im Jahre 539, als ein Komet gesichtet wurde und kurz darauf die Bulgaren oströmisches Gebiet bis Griechenland und selbst in Konstantinopel plünderten. Als dann auch noch die Perser ohne Widerstand die Reste von Antiochia beseitigten und die verbliebene Bevölkerung verschleppten, konnte sich das oströmische Reich von diesem Verlust nicht mehr erholen.

Reichsweit waren die Menschen in Aufruhr und besonders in der Hauptstadt gärte es. 540/41 ereigneten sich mehrere schwere Erdbeben hintereinander und die Katastrophenmeldungen aus den Provinzen taten ihr übriges dazu. In diesem Moment erreichte auch jene Nachricht Konstantinopel, die mehr als alles andere die nächsten Jahrzehnte dominieren würde: In Ägypten war die Pest ausgebrochen.

Die Pest grassiert in ganz Europa

Die Epidemie trat Überlieferungen zufolge auf römischem Gebiet erstmals in der ägyptischen Hafenstadt Pelusion auf. Schnell breitete sie sich auf ganz Ägypten und Palästina aus. Ein grosses "Menschensterben" ist dort für die Jahre 541/542 dokumentiert. Wohl auf dem Seeweg gelangte die Seuche nach Konstantinopel, das vermutlich im Oktober 541 erstmals betroffen war. Bereits 543 wütete die Pest in allen Teilen des oströmischen Reiches. Die Kriegsführung mit den Persern gelangte zeitweise zum Erliegen und aus Angst davor wagten diese auch keine grossen Operationen mehr.

Nach der ersten grossen Welle ebbte die Seuche ab, kehrte aber in ca. 15jährigem Zyklus wieder, so etwa 553-555 (mit extrem hoher Kindersterblichkeit), 568/569 sowie 583/584. 553/554 grassierte zudem eine Rinderpest. 558 wütete sie in der Hauptstadt ein halbes Jahr (541 waren es vier Monate) lang, 560/561 in Antiochia und Kilikien. Kleinere Wellen sind für die Jahre 567/568, 572/573, 580/581, 585/586 sowie in den 590er Jahren erwiesen. Obwohl ganz Europa bis nach Britannien und sogar Finnland betroffen waren, blieb der östliche Mittelmeerraum das Zentrum der Seuche und in vielen Gegenden blieb die Pest bis in die Mitte des 8.Jh. endemisch!

Mangelnde Getreidequalität bot in der Antike ein grosses Potenzial für Massenerkrankungen


Quellen: K-H.Leven "Antike Medizin", M.Meier "Pest", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)