Version LXI

GEOGRAFIE
Flüsse, Seen & Meere


OCEANUS

zurück zum
Meeresindex

zurück zur
geografischen Übersicht

zurück zum Index

Oceanus

Benennung

Der heutige Atlantische Ozean oder kurz Atlantik hiess in der Antike Okeanos. Herkunft und Ursprungsbedeutung dieses Namens sind unsicher, vielleicht semitisch. Als die Griechen ihn in ihre Sprache einreihten wurde er zum geografischen Begriff und darauf aufbauend zu einer göttlichen Persönlichkeit entwickelt.

Als Oceanus septentrionalis (nördlicher Ozean) erscheint er bei Plinius, der sich auf Pytheas berufend die grundsätzliche Natur bereits erkannt hatte. Die Vorstellung, dass die Kontinente die Meere trennen brachte für den Namen "Ozean" eine Differenzierung mittels Attributen (z.B. Oceanus Germanicus). In der Bevölkerung prägten sich je nach Weltgegend (und damit über den Atlantik hinausgehend) andere Bezeichnungen ein: Atlantikon pelagos (Atlantisches Meer), Esperios Okeanos (westlicher Ozean), Boreios Okeanos (nördlicher Ozean), Notios thalatta (südliches Meer) und Indike thalatta (Indisches Meer).

Einige Bereiche des Oceanus wurden von den Römern mit eigenen Namen bedacht, wie das Mare Cantabricum (Golf von Biscaya) oder das Mare Germanicum (Nordsee). Der moderne Name Atlantik bezieht sich auf den Riesen Atlas, der in der griechischen Mythologie das Himmelsgewölbe trägt.

Geografie

Die Vorstellung von der Erde als Insel auf Erdscheibe oder -kugel hielt sich bis in den Beginn der Neuzeit mit der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus. In diesem Sinne verschwammen auch die Meeresbegriffe im Welten(strom/meer).

Der eigentliche Atlantik stellt das zweitgrösste Weltmeer dar; gelegen zwischen Europa und Afrika im Osten sowie Amerika im Westen. Im Norden offen durch das Nordpolarmeer, wird der S-förmige, symmetrische Ozean im Süden durch das antarktische Festland begrenzt. Mitsamt seinen Nebenmeeren umfasst es 106,6 Mio km² (ohne: 84,1 Mio km²) und damit über 1/5 der Erdoberfläche. Seine Länge liegt bei etwa 16.500 km, die mittlere Breite beträgt 6.500 km (max. 13.000 km). Die mittlere Tiefe ist 3.900 m (Tiefpunkt im Puerto-Rico-Graben mit 9.219 m); durch die Drakestrasse mit dem Pazifik und über das Kap der guten Hoffnung mit dem Indik verbunden. Der Meeresboden wird von Island im Norden bis zur Bouvet-Insel im Süden vom Mittelatlantischen Rücken dominiert, der die Trennlinie mehrere tektonischer Platten bildet.

Das Alter des Atlantiks liegt bei etwa 200 Mio Jahren. Der Meeresboden ist hauptsächlich mit kalkhaltigen Sedimenten bedeckt, deren Sinkdauer in der Regel Jahre und Jahrzehnte beträgt. Auffallend sind die grossflächigen, bis 200 m unter dem Meeresspiegel liegenden, Kontinentalschelfe, die an ihren Rändern steil abfallen und von zahlreichen Canyons durchzogen sind.

Die Oberflächentemperatur liegt in der Regel ein Grad über der Lufttemperatur. Der Salzgehalt liegt im Nord- und Südatlantik bei etwa 3,4 %. Durch seine Ausdehnung erstreckt er sich über alle Klimazonen. Im Polargebiet ist die Eisdecke im Sommer etwa 2 m, im Winter 3,5 m dick (ohne Packeis).

Zahlreiche Inseln und Inselgruppen gestalten die Geografie abwechslungsreich. Im Norden liegt die grösste Insel der Erde, Grönland. Island ist ein über das Meer ragender Teil des Mittelatlantischen Rückens. Die britischen Inseln wurden erst durch das Ende der Eiszeit zu Eilanden. Die Kanaren, Madeira und die Azoren waren schon den Phöniziern bekannt. Die Bermudas lagen aber zu weit entfernt.

Die Karibik besteht aus unzähligen kleinen, mittleren und grösseren Inseln, unterschiedlichsten Aufbaus. Südlich des Äquators dominieren einsame Felsen im Meer, wie z.B. Bouvet, St. Helena oder die Falkland-Inseln.

Der Atlantik beherbergt heute etwa zwei Drittel aller Welthäfen und ist eines der meistbefahrenen Meere. Der Fischfang spielt in allen Regionen eine grosse Bedeutung.

Geschichte I

Die erste Vorstellung vom Okeanos manifestierte sich als den die scheibenförmige Erde umfliessenden Weltenstrom. Ähnlichkeiten mit dem Marratu (Bitterfluss), der auf babylonischen Landkarten des 6.Jh.v.Chr. (Originale wohl aus dem 9./8.Jh.v.Chr.) die Erde umspült, sind nicht bestimmt nicht zufällig.

Der Okeanos bildete nach damaliger Vorstellung die äussere Grenze der Erde. Im äussersten Westen liegt noch die Insel Aia, die über die Kolonie Phasis von Kolchos erreichbar sein sollte (Argonautensage) und das Eiland von Erytheia (wohl die Stadt Gades). An der Nordküste des Okeanos wohnten die Kimmerier und im Süden die Aethiopier. Der Strom war nicht nur eine rein geografische Grenze. Er trennte auch das Reich der Lebenden von jenem der Toten, das über den westlichen Erdrand erreicht werden konnte.

Die erste Identifizierung des Okeanos mit einem existierenden Meer erfolgte spätestens in der 2.Hälfte des 7.Jh.v.Chr. und dürfte in Zusammenhang mit der Reise des Kolaios von Samos stehen, der 660 v.Chr. als einer der ersten Griechen den Atlantik erreichte. Die bislang "Säulen des Briareos" (50köpfiges und 100armiges Ungeheuer) genannte Meerenge wurde im Zuge der Erweiterung des Sagenzyklus des Herakles zu den "Säulen des Herakles".

Durch den vermehrten Informationsaustausch zwischen Griechenland, seiner Kolonien und der europäisch-afrikanischen Atlantikküste, setzte sich immer mehr die Vorstellung eines Meeres denn eines Flusses für den Okeanos durch. Dies beinhaltete auch die zusätzliche Bezeichnung als "Atlantisches Meer". Im 4.Jh.v.Chr. bezeichnete E exo thalatta bereits den ganzen Ozean (wenn auch man seine wahre Dimension nicht kannte). Die von ägyptischen und babylonischen Einflüssen geprägte Geografie des Thales von der wassergetragenen Welt entspricht ebenfalls dieser Vorstellung.

Die Erkenntnis, wonach die Erde keine in einem Meer schwimmende Scheibe, sondern eine Kugel im Weltenraum ist, bedingte eine erneute Änderung des geografischen Verständnisses für den Okeanos. Von nun an gab es zwei Darstellungsformen. Die erste zeichnet den Okeanos als ein System von zwei sich kreuzenden Kanälen, die zweite stellt ihn als ein Weltmeer dar, in dem das Festland nur eine Insel ist. Ungereimtheiten bei letzterer Version erzeugten wohl die Basis für die Sage von Atlantis, das als Insel, die grösser als Libyen und Asien zusammen  sei, irgendwo im Westen dieses Meeres liegen soll.

Die Darstellung als sich kreuzende Flüsse überlebte die Antike und manifestiert sich bis in das Herrschaftssymbol des mittelalterlichen Reichsapfels hinein, dessen oberflächliches Kreuz die vier Weltgegenden getrennt durch den Weltenstrom symbolisiert. Auch christliche Karten mit Jerusalem als Mittelpunkt benutzten diese geografische Vorstellung. Lediglich die Breite des Stromes schwankte in den Jahrhunderten (zu Zeiten Commodus' sehr eng).

Geschichte II

Die Entdeckungsgeschichte des Atlantiks begann für die Antike Welt wohl mit der Reise des Kolaios von Samos, der um 660 v.Chr. erstmals nachweislich über die Meerenge von Gibraltar hinaussegelte. Über den Zinnhandel mit Britannien waren aber die Küstenstreifen der Iberischen Halbinsel zumindest den Seehändlern bekannt. Auch die Entdeckungsfahrt des Himilkon um 500 v.Chr. gaben Auskunft über die Beschaffenheit zumindest der Gebiete entlang der europäisch-atlantischen Küsten. Auch Pytheas von Massalia stiess in diese Gegenden 330 und 310 v.Chr. vor.

Nachdem die Karthager ihre Herrschaft über die südiberische Halbinsel gefestigt hatten, begannen sie mit Entdeckungsfahrten und Besiedelungsaktionen im Ostatlantik. Folgt man Diodoros und Pseudo-Aristoteles so dürfte bereits Madeira unter karthagischer Herrschaft (d.h. besiedelt) gestanden haben. Gleiches galt für die Azoren, die Ende des 3.Jh. oder Anfang des 2.Jh.v.Chr. besucht wurden. Auch die Kanaren lagen innerhalb des karthagischen Wirkungskreises, da die Küstengebiete des heutigen Marokkos - wohl mit Billigung einheimischer Berberfürsten - kolonialisiert wurden.

Die grosse Seereise des Hanno - wohl im letzten Drittel des 6.Jh. v.Chr. anzusetzen - erfolgte auf Initiative des karthagischen Staates. Leider lassen sich die Stationen seiner Reise nur annäherungsweise ermitteln. Sein äusserster Wendepunkt war ein Theon Ochema genannter Berg. Es wird angenommen, dass es sich dabei um den Kamerunberg handelt, der an der Bucht von Biafra - von Hanno "Horn des Südens" genannt - liegt. Die Bucht von Benin könnte dann das "Horn des Westens" sein. Der Grund für diese Reise dürfte in der Erschliessung neuer Metallvorkommen (Guineagold, mauretanisches Kupfer, nigerianisches Zinn) gelegen haben.

Als Rom seinen Erzfeind Karthago besiegt hatte, gingen die meisten geografischen Informationen über den Südosten zumindest für die Praxis verloren. Dafür gelangte Britannien mit seiner Eingliederung ins Reich näher an den Kontinent. Die Kanaren waren den Römern aber noch bekannt.

Der Abenteuer Sertorius musste um 81 v.Chr. das römische Spanien verlassen und schiffte sich mit seinen 3000 Gefolgsleuten in das Gebiet von Gades ein. Kikilische Piraten, die es ebenfalls an diesen weit von ihrer Heimat entfernten Punkt verschlagen hatte, erzählten ihm von einem sagenumwitterten Land, zehn Schiffsreisetage entfernt. Ein konstantes Klima sowie fruchtbare Böden würden den Namen "Insel der Seligen" rechtfertigen. Sertorius befand dieses Unterfangen als interessant, entschied sich jedoch anders und ging über Mauretanien schliesslich nach Lusitanien und tat sich später sehr bei der Romanisierung der Iberischen Halbinsel hervor.

Die Gegenden jenseits der Meerenge von Gibraltar lagen mit Ausnahme der Iberischen Küsten praktisch ausserhalb römischen Einflusses. So gab es dort auch keine Flottenstützpunkte. Maximal die Mauretanische Provinzialflotte konnte die Meerenge sperren und in das Gebiet vordringen. Der Grund für diese Vorgangsweise ist klar: dort befand sich kein Gegner, nur Wasser und die nach Süden verlaufenden, immer heisser werdenden Gegenden der afrikanischen Küste.

Auch später interessierte sich kaum jemand dafür und die Küsten des atlantischen Mauretaniens wurden durch einheimische Fürsten regiert. Das Herrschaftsgebiet der Vandalen im 5. und 6.Jh.n.Chr. reichte ebenfalls nicht so weit nach Westen. Erst die islamische Omajaden-Dynastie gelangte auf dem Weg zur Eroberung Spaniens 711 in dieses Gebiet. In weiterer Folge blieben die westliche Atlantikküste und die südlicher gelegenen Gegenden unter arabischem Einfluss.

Die Kenntnis von Madeira, den Kanaren und den Azoren blieb indes latent in den Erinnerungen der Menschen (so auch den Normannen). Über die arabischen Seefahrer und den Übersetzungen ihrer Reiseberichte verbreitete sich dieses Wissen auch in Europa und bot den Nährboden für so manche sagenhafte Ausschmückung von Entdeckungsreisen. Madeira wurde 1418/19, die Azoren 1431 durch van der Berg und die Kanaren erst Ende des 15.Jh. für das christliche Abendland wiederentdeckt.

An der Grenze des antiken Wissens im Norden des Atlantiks lag das sagenhafte Thule, über dessen Lage man nur rätseln kann. Der nördlichste erreichte Punkt lag auf der Höhe von Trondheim (immerhin Mittelnorwegen) durch den Seefahrer Pytheas von Massalia. Bei militärischen Operationen wurde Britannien von römischen Flotten umschifft. Die zerklüftete Inselwelt der Hebriden lag also gerade noch im Kenntnisbereich Roms.

Über die Küstengebiete hinaus kamen erst wieder die Normannen, die sich um 700 auf den Shetlands, um 800 auf den Orkneys, im 9.Jh. auf den Färöer-Inseln und ab 860 auf Island niederliessen. Um das Jahr 862 erreichten sie schliesslich Grönland um das Jahr 1000 die Küsten Labradors und Neufundlands. Letzteres wurde übrigens kurt vor 1472 von Cortereal wiederentdeckt, ohne Bericht zu erstatten. Der offizielle Wiederentdecker wurde damit Cabot 1497.

rombau.gif (22885 Byte)

Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.


 

Sie wollen Fragen stellen, Anregungen liefern oder sich beschweren?
Dann klicken Sie auf meine Kontaktseite!

(PL)